Man kann gut nachvollziehen, dass sich Organisationen innovative Leute vom Markt holen und von diesen oft nicht nur inhaltlich Revolutionäres erwarten, sondern auch ein gewisses Mitziehen der vorhandenen Belegschaft. Weniger auf der Hand liegt, warum solche Unternehmungen oft scheitern.
Nicht selten liegt es an der mangelnden Einsicht, dass sich Innovative eben gerne der Innovation zuwenden – und damit weniger dem mikropolitischen Drumherum. Dieses braucht es aber, um Ideen durchzubringen. Irgendwer muss sich also darum kümmern. Ohne signifikante Schützenhilfe von möglichst vielen Seiten, jedenfalls aber von oben, prallen solche Persönlichkeiten an derselben Organisation ab, die sie zuvor angeworben hat.
George Orwells „Doppeldenk“
Doppeldenk („doublethink“) ist eine Wortschöpfung George Orwells aus seinem Roman „1984“. Damit gemeint ist die Fähigkeit, Dinge zwar mit eigenen Augen zu sehen, durch autoritär auferzwungenen Druck aber die Vernebelung, die Falschdarstellung für wahr zu halten – kurzum: Lügen (irgendwann) selber zu glauben.
Die russische Intellektuelle Masha Gessen hat mit „Doppeldenk“ die Mentalität der Russen beschrieben, die mit dem ständigen Widerspruch zwischen Realität und Ideologie zurecht kommen müssen.
Doppeldenk in Unternehmen
Das Anwendungsfeld für „Doppeldenk“ geht aber viel weiter: Jede autokratisch strukturierte Organisation produziert ihn und wird ihn reproduzieren, solange Arbeitsplätze und Aufstiegschancen knapp, Machtpolitik aber gang und gäbe ist. Diese Parameter schaffen ein komplexes Gefühlsgefüge: Angst, Neid und Unsicherheit vermischen sich mit Ehrgeiz, Leistungsorientierung und der Freude am Taktieren.
Wirklich innovatives Denken, das sich viele Organisationen offiziell wünschen, ist aber „Einfachdenk“, kein Doppeldenk – es dient dem Erfinden, dem Neuen; es dient sich selbst. Es nimmt keine Rücksicht auf Machtstrukturen und Ideologien. Genau das ist der Punkt, an dem es mit der Integration Innovativer oft hakt.