Wir leben in einer durchökonomisierten Welt, in der Geld jeden Gesellschaftsbereich durchdringt. Gleichzeitig scheuen wir die Auseinandersetzung damit: oft uns genug uns selbst gegenüber, jedenfalls aber mit anderen. Denn über Geld spricht man schließlich nicht.

Kein Wunder, dass dann in Situationen Schwierigkeiten auftauchen, in denen wir dem Thema nicht mehr ausweichen können – etwa bei Gehaltsfragen, Honorarforderungen usw.

Es ist nicht einfach, über etwas zu verhandeln, das sonst als Thema tabuisiert ist

Einwände, die ich im Coaching zu Gehaltsverhandlungen zu hören bekomme, gehen dann etwa in diese Richtung: „Das Thema ist mir so unangenehm“, „Die könnten mich mit meiner Forderung für arrogant halten“, „Warum sehen die meine Leistung nicht selbst, warum muss ich sie darauf hinweisen?“ oder auch: „So viel Geld brauche ich gar nicht“ (erst einmal gehört,  aber ich weiß, dass solche Überlegungen bei manchen Besserverdienenden vorkommen; der Hinweis auf die höchst sinnvolle Möglichkeit des Spendens kann helfen!).

Genaue Information ist die Basis jeder Verhandlung – nur in Gehaltsfragen fehlt meist die Vergleichsmöglichkeit

Nachdem gesetzliche Verpflichtungen zur Offenlegung von Gehältern in Österreich keine Rückschlüsse auf den Einzelfall zulassen, ist für individuelle Gehaltslösung (und damit auch für Diskriminierung) jedenfalls Spielraum vorhanden. Somit ist jede und jeder, der auf überkollektivvertraglich entlohntem Level arbeitet, auf das eigene Verhandlungsgeschick angewiesen.

Nun soll ja jeder Verhandlung eine möglichst genaue Vorbereitung vorausgehen – das ist auch ein wichtiger Punkt in jedem Verhandlungstraining. Nur: hier beginnt sich die Katz bereits in den Schwanz zu beißen. Informationen über Gehälter sind schlicht schwer zu kriegen. Eine gewisse grobe Orientierung für Hochqualifizierte und Führungskräfte bieten mittlerweile Gehaltsbenchmarks wie jener der online-Plattform experteer.at.

Das Geld-Thema ist ein Tabu-Thema. Und es liegt im Wesen von Tabus, dass ihre Übertretung mögliche negative  Konsequenzen mit sich bringt. Und so gilt bei bei uns noch immer: Man spricht nicht darüber. Und daraus folgt: Man fragt auch nicht danach. Dadurch wird auf wertvolle Vergleichsmaßstäbe verzichtet.

Firmenpolicy: Über Gehalt zu sprechen unerwünscht

Die Geheimniskrämerei  kann durch implizite oder explizite Anordnungen von Unternehmen noch verstärkt werden. Ich kenne einen Fall, wo klar kommuniziert wurde, dass Gehaltsvergleiche unter Mitarbeitern unerwünscht sind (O-Ton „Und damit eins klar is: über`s Gehalt redet`s ihr nicht miteinander“). Solche Botschaften kreieren Stimmungen und fördern ein Klima, das es der Diskriminierung leicht macht.

Was sagt das Arbeitsrecht zu Verschwiegenheitsklauseln?

Eine Besonderheit sind vertragliche Regelungen über die Geheimhaltung des Inhalts eines Arbeitsvertrages, insbesondere über die Höhe der Vergütung. Diesbezüglich gibt es in Österreich noch keine gerichtlich ausjudizierten Präzendenzfälle.

Interessant ist jedoch ein Urteil zum Thema aus Deutschland (Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern in Rostock, Urt. v. 21.10.2009, Az 2 Sa 237/09): Das Urteil bezieht sich auf einen Fall, in dem ein Arbeitnehmer entgegen einer vertraglichen Verschwiegenheitsklausel mit einem Kollegen über seine Bezüge gesprochen und prompt eine Abmahnung erhalten hatte. Dagegen wehrte er sich vor Gericht – und gewann. Die Klausel benachteilige den Arbeitnehmer, so das Gericht. Jeder Arbeitnehmer dürfe frei über sein Gehalt reden. Das Gericht räumt auch ein, dass der Austausch unter Kollegen die einzige Möglichkeit darstellt, mögliche Ungleichbehandlungen zu erkennen.