Tiefe innere Verletzungen und damit psychische Traumata gibt es seit Menschheitsgedenken. Grausamkeit gab es immer schon. Das griechische Wort „trauma“ bedeutet „Verletzung“.

Die Geschichte des Umgangs mit psychisch Traumatisierten ist geprägt von Unverständnis, Verunglimpfungen der Opfer und Assoziation mit weiblicher Schwäche. So wurden etwa kriegstraumatisierte Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg nicht ernst genommen, als „Kriegszitterer“ diskreditiert und der Arbeitsverweigerung bezichtigt. Sigmund Freud war einer der Ersten, die das Trauma missbrauchter Kinder erkannten (1893, Aufsatz über die Hysterie), rückte allerdings später wieder davon ab: Die damalige Gesellschaft war nicht bereit, sich mit dem überwältigenden Ausmaß von gewaltsamer und missbräuchlicher Behandlung von Kindern, Jugendlichen und Frauen auseinanderzusetzen.

Zunehmend machte man allerdings die Erfahrung, dass auch beim umsichtigen Auswählen von Soldaten der Krieg seinen Zoll forderte, etwa in Form von „Kriegsneurosen“ oder „Soldatenherzen“. Die hohe Zahl an Symptomen und Selbstmorden unter Heimkehrern aus dem Vietnam-Krieg eröffnete in den USA der Forschung den Weg von der Beschreibung des „Post Vientam Syndrome“ bis hin zur Aufnahme der Posttraumatischen Belastungsstörung in das amerikanische Diagnosemanual DSM III im Jahr 1980.

In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hat sich eine Wissenschaft der Erforschung von Trauma entwickelt, auf deren Grundlage erstmals zahlreiche neue therapeutische Methoden entdeckt wurden, die dem menschlichen Organismus helfen, tiefe Verletzungen besser zu verarbeiten  – wie zB EMDR (Eye Momevement Desensitization Reprocessing), Brainspotting, Somatic Experiencing usw. Laufend werden neue Ansätze entwickelt. Das Feld von Forschung und traumaspezifischer Psychotherapie ist ein junges, sehr dynamisches Entwicklungsgebiet.

Die meisten dieser Methoden basieren auf der Erkenntnis, dass sich das Trauma im Körper nicht als Geschichte, sondern als emotionale Reaktion festsetzt. Betroffene erinnern sich an einzelne Sinneseindrücke wie Bilder, Gerüche oder Geräusche. Der Körper mit seinen Empfindungen wird daher in der Traumatherapie miteinbezogen.

Wachsendes Verständnis für psychische Traumata und ihre Folgen

Ein Trauma ist ein Ereignis, das die eigene Fähigkeit, es zu bewältigen, übersteigt und bei dem man niemanden hat, der einen beschützt.“  Bessel van der Kolk, US-amerikanischer Psychiater und Pionier der Traumaforschung

Von den USA ausgehend schwappt eine Welle des zunehmenden Verstehens von psychischem Trauma nach Europa, und das ist gut so. Denn öffentlich sind die Mechanismen von Traumata und ihren Folgen immer noch viel zu wenig bekannt.

Der umgangssprachliche Trauma-Begriff ist nach wie vor eingeengt. Typischerweise denken wir bei Traumata an Krieg, Naturkatastrophen oder Verbrechen. Viele Menschen sind überrascht, wie traumatisierend an sich häufige Vorkommnisse wie Unfälle, medizinische Eingriffe, schwierige Geburten, plötzliche Verluste, Trennungen, Mobbing, Stalking usw. wirken können.

Für sehr viele Menschen beginnt der Krieg übrigens nicht auf einem Schlachtfeld, sondern bereits in ihrer Kindheit an dem Ort, an dem sie sich sicher fühlen sollten: zu Hause. Und ihre ungeheilten tiefen Verletzungen sorgen, an kommende Generationen weitergegeben, für immer weiteres Leid.

Verarbeitung von Trauma

Ein potentiell traumatisierendes Ereignis muss kein Trauma, also eine bleibende seelische Verletzung, nach sich ziehen. Denn wir Menschen sind für das Überleben gemacht.

Wie gut ein einschneidendes Erlebnis verarbeitet werden kann, hängt stark von den Umständen ab. Eine schwierige Geburt mit Komplikationen kann zB von einer Gebärenden gut verarbeitet werden, wenn sie sich trotz allem gut aufgehoben und ernst genommen fühlt. Eine einzige vertrauenserweckende Begleitperson kann da den Unterschied machen.

Unfallüberlebende, die sofort nach dem Ereignist kritisiert und mit Vorwürfen konfrontiert werden, werden den Schock wahrscheinlich schlechter  verarbeiten. Unterstützende Gemeinschaft hilft. Eine Straftat, von einem Unbekannten ausgeübt, kann leichter verarbeitet werden als die Gewalt durch nahestehende Menschen wie Familienmitglieder. Naturkatastrophen können leichter verarbeitet werden als „man made disaster“.

Neurowissenschaftliche Revolution

Brainimaging-Techniken ermöglichen bereits seit einigen Jahrzehnten, sich von den informationsverarbeitenden Prozessen im Gehirn ein genaues Bild zu machen. Damit bieten die Neurowissenschaften modernen traumatherapeutischen Methoden wichtige Erklärungen und Hinweise.

Mittels Gehirnscannern kann etwa die erhöhte Gehirnaktivität im limbischen System („emotionales Gehirn“), vor allem der Amygdala, während eines Flashbacks (Nachhallerinnerung) bildlich dargestellt werden.

Durch Studien konnte nachgewiesen werden, dass die Amygdala bei Traumatisierten eine Alarmreaktion auslöst, wenn Betroffene mit Bildern, Geräuschen oder Gedanken konfrontiert werden, die sich auf das traumatische Erlebnis beziehen, selbst wenn dieses Ereignis viele Jahre zurückliegt!

Die Aktivierung dieses „Furchtzentrums“ löst eine Kettenreaktion aus: es kommt zur Ausschüttung von Stresshormonen, Nervenimpulse werden initiiert, Blutdruck, Herzfrequenz und Sauerstoffaufnahme steigen an und bereiten den Körper auf Kampf und Flucht vor.