Es gibt keine völlige Freiheit von Angst. Angst als Urgefühl begleitet uns ein ganzes Leben. Allerdings ist sie oft unbewusst und lässt sich nicht eindeutig festmachen. Dennoch beeinflusst sie unser Tun – auch und sehr stark in beruflicher Hinsicht.

Ausbildung und Beruf – bitte keine Angstentscheidungen!

Wie viele Studienentscheidungen rein auf monetären, dh. sicherheitstechnischen Überlegungen gefällt werden, möchte ich hier nicht beziffern. Es sind eindeutig zu viele. Und das unter dem Aspekt, dass das, was noch vor einer Generation als „sicher“ galt, heute keineswegs mehr so sicher ist. Weder ein BWL- noch ein Jussstudium schützt klar vor Arbeitslosigkeit, und Aufstiegsgarantie ist damit schon lange keine mehr verbunden.

Das Phantom der Not, des Geldmangels, des Hungerns und Zugrundegehens liegt tief in uns vergraben. Manche spüren es mehr, manche weniger. Ein hohes Sicherheitsbedürfnis hat schon so manche kreativere Karriere verunmöglicht und berufliche Wege abseits des mainstreams beschnitten.

Wir sind Mut, wir sind Angst

Aber wir sind nicht nur Angst, wir sind auch Mut. Wie wird man mutig?

Indem man der Angst ins Gesicht sieht. Ängste mögen keine direkte Konfrontation. Sie wollen weiter im dunklen Winkelchen hausen, idealerweise auch noch mit Scham als zusätzlichem Schutz behaftet.

Was man noch tun kann? Mit der Angst kooperieren. Sie nicht völlig zum Verschwinden bringen wollen – das ist weder notwendig noch realitisch. Eine Klientin meinte einmal, sie hätte geglaubt, sie dürfe erst dann damit beginnen, Yoga-Kurse zu geben, wenn sie sich davor nicht mehr fürchte. Sie irrte. Man kann trotz Angst, Selbstzweifeln und inneren Ambivalenzen so manches auf die Beine stellen.

In Wahrheit ist das, was in vielen Coaching-Ratgebern als „Verlassen der Komfortzone“ beschrieben wird, die Einladung zum Einlassen auf die Angst.

Entwicklung entlang der Grenze zum Neuen

Die Komfortzone ist der Bereich der Sicherheit. Entwicklung geschieht jedoch tatsächlich an der Grenze außerhalb dieses warmen Kreises des Gewohnten. Es reicht allerdings, ihn nur ein bisschen zu überschreiten, erste kleine Schritte zu setzen, auszuprobieren. Denn der sichere Boden ist bis zu einem gewissen Grad sogar notwendig.

Das, was nach außen, auch bei berühmten Persönlichkeiten in Kunst, Wissenschaft, Wirtschaft etc. als Riesenschritt aussieht, ist in aller Regel das Resultat von vielen kleinen, Bewegungen, von konsequenten Übungsschritten, die das Repertoire des Sicheren beständig erweitern, hin zu echter Meisterschaft.