PNI – Wissenschaft der Zusammenhänge zwischen Psyche und Immunsystem

Die Psychoneuroimmunlogie, kurz PNI, untersucht wissenschaftlich, wie unsere sozialen Beziehungen, Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen mit unserem Immunsystem in Verbindung stehen.

Lange glaubte man, das Immunsystem sei ein unabhängiger Player im Organismus, dessen wesentliche Aufgabe es sei, Krankheitserreger abzuwehren. Unzählige Studien belegen mittlerweile, dass das Immunsystem nicht isoliert im Organismus agiert: Es hat aber Untersystem wie das Nervensystem, das Hormonsystem, die Psyche. Diese stehen in enger Verbindung (fachlich spricht man von immuno-neuro-endokrinem Netzwerk).

Das biopsychosoziale Paradigma

Der franz. Philosoph Rene Descartes (1596 -1650) gilt als Vater der strengen Leib-Seele-Trennung, die über drei Jahrhunderte unsere Vorstellung vom Menschen prägte – vor allem auch in der Medizin.

Mittlerweile erlangt das sog. „bio-psycho-soziale Paradigma“ immer mehr Bedeutung in der Medizin – eine ganzheitliche Sichtweise auf Gesundheit und die Entstehung von Krankheiten. Krankheit wird demnach als komplexes Phänomen, als Störung der Interaktion von körperlichen, psychischen und sozialen Faktoren gesehen.

Die körpereigene Abwehr steht in enger Verbindung zur Psyche

Durch zahlreiche Studien ist es mittlerweile erwiesen, dass chronischer psychosozialer Stress über eine schädliche neuroendokrine Wirkung auf das Immunsystem zu schweren Verlaufsformen von Viruserkrankungen beitragen kann.

Wir wissen, dass sich das Ausdrücken von Gefühlen psychoneuroimmunologisch positiv auswirkt. Negative Gefühle wie Angst, Trauer und Isolation sowie vor allem das Unterdrücken von Gefühlen können die Immunabwehr hingegen langfristig schwächen und unterdrücken. Wie lässt sich das erklären?

Psyche und Immunabwehr kommunizieren miteinander über biochemische Prozesse. An den feinen Nervenenden werden Botenstoffe, sog. Neuropeptide ausgeschüttet. Sie wirken unmittelbar auf Immunzellen. Immunzellen wiederum haben eigene Andockstellen für Hormone.

Auswirkungen von biografischen Traumata auf die Gesundheit, insbesondere entzündungsbedingte Krankheiten

 

Es gibt eine starke Korrelation zwischen Entzündungskrankheiten und Kindheitserlebnissen, dafür gibt es mittlerweile stark belastbare Daten. Frühe Bindungserfahrungen hängen eng mit der Entwicklung des Stresssystems zusammen. Die Qualität der Bindung zwischen Kindern und ihren Bezugspersonen, das sog. Bindungsmuster, hat lebenslangen Einfluss auf die Gesundheit.

Menschen, die in ihrer Kindheit einem harschen Familienklima ausgesetzt waren, unsicheren Bindungen zu Bezugspersonen, Erfahrungen von Missbrauch oder Vernachlässigung erlebt haben, haben ein erhöhtes Risiko, später im Leben stressbedingt Entzündungsanstiege zu erleben und dadurch auch Entzündungskrankheiten zu entwickeln.

Welche Krankheiten haben einen hohen Zusammenhang mit Entzündungen im Körper? Ganz klar Autoimmunerkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen, Schmerzstörungen, Darmerkrankungen, aber auch zB Demenz.

Die gute Nachricht: Psychotherapie, Meditation und Entspannungsmethoden können helfen

Methoden, die die Beruhigung von chronischem und psychischem Stress fördern, können zu einer besseren Belastbarkeit eines angeschlagenen Stresssystems führen. Traumatische Erlebnisse können nicht ungeschehen gemacht werden, sehr wohl aber ihre Folgen in Psyche und Körper abgemildert werden.

Hier hat sich in den letzten 30 Jahren die Psychotraumatologie als eigene Disziplin herausgebildet. Es hat sich gezeigt, dass die reine „talking cure“, also das Sprechen über schwierige Ereignisse, wie es lange praktiziert wurde, oft nicht ausreichend tief für die existentielle Erfahrung von Trauma geht.

Als traumatisch erlebte Erfahrungen hinterlassen ihre Spuren in Nervensystem und Körper. Hier setzen moderne Methoden der Traumatherapie an, etwa durch Einbeziehung von Atem, Körperempfindungen oder auch Augenfokus und Augenbewegungen (sog. body-to-brain-Methoden wie EMDR, Brainspotting oder TRE – Trauma Release Exercises).

Aber auch Meditation und sanfte Körperarbeit (Yoga, Breema, Zapchen Somatics, Grinberg usw.) oder tiergestützte Therapie können sehr hilfreich sein. Hier haben sich bereits Überschneidungen zwischen den Disziplinen herausgebildet wie zB Traumasensibles Yoga.

Wir sind als Psycho- und Traumatherapeutinnen noch lange nicht am Ende unserer Entdeckungsreise auf der Suche nach dem, was bei Psychotrauma nachhaltig hilft, haben allerdings schon einiges gefunden.

Heilung ist ein komplexer Prozess, er kann lange dauern, aber er ist möglich – in dem Sinn, dass das tiefe Wunden ihre schädigende Macht über uns und unser Leben verlieren.

Lektüreempfehlungen:

Gabor Maté, Daniel Maté: The Myth of Normal. Trauma, Illness & Healing in a Toxic Culture. London, Vermilion 2022

Christian Schubert, Madeleine Amberger: Was uns krank macht, was uns heilt. Aufbruch in eine neue Medizin. Das Zusammenspiel von Körper, Geist und Seele besser verstehen. Korrektur Verlag, 2018