Vom Unterscheid zwischen normaler Verliebtheit und ähnlichen Gefühlen in toxischen Beziehungen

Soll mich auf diesen neuen Mann einlassen? Ist meine heftige Verliebtheit überhaupt ein gutes Zeichen? fragt eine junge Klientin, die eine schwierige längere Beziehung hinter sich hat, aus der sie sich nur langsam und unter heftigen Schmerzen befreien konnte. Bei der sie nur allmählich erkannte, dass sie diesen Mann zwar liebte, die Beziehung ihr aber alles andere als gut tat.

Letztendlich schaffte sie es, mehr und mehr zu sich selbst zu stehen, gelten zu lassen, was sie selbst brauchte, und zu erkennen, dass sie das in dieser Beziehung niemals erhalten würde. Sie fragt sich nun: Wie kann ich den Mut aufbringen, mich wieder tief auf einen Menschen einzulassen?

Wie weit darf ich mich wieder verlieben? Oder ist Verliebtheit etwa ein Warnsignal?

Mitnichten: tiefe, langgewachsene Liebe entsteht sehr oft auf der Basis anfänglicher Verliebtheit. Und daran ist nichts falsch.

Verliebtheit als Geschenk der Natur, als biologischer Mechanismus im Gehirn bewirkt sie, dass wir nichts anderes wollen, als mit dem Menschen zu sein.

Normale, gesunde Verliebtheit und der Irrtum der „toxischen“ Verliebtheit

Was meine Klientin in den Anfängen ihrer neuen, wohltuenden Beziehung zu unterscheiden lernte, war der Unterschied zwischen „normaler“ und „toxischer“ Verliebtheit: Auch die „gesunde“ Verliebtheit bewirkt oft, dass Menschen kaum mehr Schlafen oder Essen können. Aber sie schaltet das Gehirn nicht ganz aus: Auch wenn die Schmetterlinge im Bauch durcheinander wirbeln, bleibt eine gewisse Erdung erhalten. Zumindest ein Bein bleibt am Boden. Auch entwickeln sich gesunde Beziehungen meist langsamer und beständiger – trotz Verliebtheit.

Verliebtheit in Beziehungen, die nicht gut tun („toxische Verliebtheit“), lässt Menschen total abheben – in aller Regel ohne Verankerung zur Realität. Es ist eine Verliebtheit, die eigentlich keine ist; sie fühlt sich nur so ähnlich an.

Es ist eher wie eine Sucht, eine eigentümliche Aufregung, basierend auf Gefühlen von Angst und Unsicherheit.

Da werden wichtige Warnsignale übersehen, die einen eigentlich auf der Hut sein lassen müssten (die berühmten „red flags“). Da werden Dinge nicht beachtet, die sofortige Schutzmaßnahmen erfordern würden (er/sie geht nicht auf dich ein, kritisiert ständig, wertet dich, deine Tun oder dein Umfeld ab usw.) Regelmäßige Aufregung und eine Achterbahn der Gefühle führen mit der Zeit zu einer Art Sucht nach dem anderen, die destabilisiert. Sie hat nichts mit normaler Verliebtheit zu tun, und erst recht nichts mit Liebe.

Beides voneinander zu unterscheiden – die „normale“ von der „toxischen“ Verliebtheit, ist ein wichtiger Meilenstein.

Wir müssen uns die Verliebtheit nicht nehmen lassen, aber wir sollten dabei ein kritisches Auge offenhalten: Was geschieht hier? Wie behandle ich den anderen, und wie behandelt er mich? Tut mir diese Beziehung gut? Habe ich mir gut überlegt, was ich in einer Beziehung wirklich brauche? Und kann es mir diese andere Person geben?