01.11.25
Verfasst von: Sonja Rieder
Lesezeit: ca. 13 min
Warum sich Affären so verdammt gut anfühlen: 7 Gründe, die nichts mit dem Affärenpartner zu tun haben
01.11.25
Verfasst von: Sonja Rieder
Lesezeit: ca. 13 min


Inhaltsverzeichnis
- Die tollen Gefühle am Anfang einer Affäre haben mehr mit der Situation an sich zu tun als mit der Affären-Person
- Achtung, Irrtumsgefahr: Die Magie ist hauptsächlich dem heimlichen Raum geschuldet!
- Affärenturbo #1: Verbundenheit
- Affärenturbo #2: Hallo Leben! Die Rolle der Lebendigkeit
- Fallbeispiel aus der Praxis: Sabines Affäre
- Affärenturbo #3: Affären als Selbstwert-Kick
- Affärenturbo #4: Affären als Schmerzkiller
- Affärenturbo #5: Anregende Heimlichkeit
- Affärenturbo #6: Affären als Akt der Rebellion
- Affärenturbo #7: Verschmelzungs-Sex
- Weitere Blog-Beiträge
Die tollen Gefühle am Anfang einer Affäre haben mehr mit der Situation an sich zu tun als mit der Affären-Person
„Mit meiner Affäre habe ich den best sex ever.“
„So toll wie mit meinem heimlichen Lover habe ich mich schon ewig nicht mehr gefühlt. Habe ich davor eigentlich jemals gelebt?“
„Sie versteht mich einfach. Das tut so gut. Wir führen die besten Gespräche miteinander, es geht gar nicht so sehr um den Sex.“
„Mit ihm fühle ich mich so lebendig wie noch nie. Ich könnte Bäume ausreißen.“
So klingen Menschen, die am Anfang einer heimlichen Liebschaft stehen. Ein Zustand wie auf Wolke 7. Lala-Land. Die Insel der Seeligen. Weit weg sind die Tretmühlen des Alltags, Misserfolge, Kränkungen und Selbstzweifel.
Für Fremdgehende scheint es so, als würden sie nach einer langen Phase des Winterschlafs wieder aufwachen – mitten ins Leben hinein. Und das fühlt sich so gut an, dass viele ihr schlechtes Gewissen zunächst gut in Schach halten können.
Wer ist da nicht versucht zu glauben, dass dieser Zauber von der neuen Liebesperson ausgeht?
Achtung, Irrtumsgefahr: Die Magie ist hauptsächlich dem heimlichen Raum geschuldet!
Wer eine ungewohnte Tiefe der Begegnung erfährt, eine Lebendigkeit wie noch nie in sich spürt, wem sich das Herz auf wundersame Weise weitet, sollte…zunächst ein wenig abwarten. Das Schöne genießen, von mir aus. Aber nicht gleich wichtige Entscheidungen bezüglich der langgewachsenen Partnerschaft treffen.
Die Gefahr besteht nämlich darin, dass der Gefährte, die Partnerin all der Sternstunden als Garant für diese Magie gehalten wird.
Dabei ist der Lover, die Geliebte oft nur so etwas wie ein Überbringer. Eine Art Bote, der anzeigt, zu welcher Gefühlstiefe wir fähig sind.
Und keineswegs automatisch die „richtige“ Partnerperson für den Rest des Lebens.
Oft liegt das Geheimnis der Magie hauptsächlich in der exklusiven, heimlichen und verbotenen Atmosphäre.

Affärenturbo #1: Verbundenheit
Die Paarforscher John und Julie Gottmann sagen, dass Einsamkeit in langen Paarbeziehungen der Grund Nr. 1 für Fremdgehen ist (1). Ich glaube, damit haben sie recht.
Nicht immer haben Affären mit einer unglücklichen Paarbeziehung zu tun. Wenn es aber so ist, spielt Einsamkeit dabei meist eine große Rolle.
Meiner Erfahrung als Psychotherapeutin nach nehmen Paare in der Krise das Wort Einsamkeit selten in den Mund. Einsamkeit verbinden die meisten mit Alleinsein, mit alten Menschen oder dem Rand der Gesellschaft.
Tatsächlich ist Einsamkeit aber ein Gefühl, dass viel häufiger vorkommt, als wir denken. Niemand ist davor gefeit. Auch Paare nicht!
Sich in einer Paarbeziehung einsam zu fühlen, ist bitter. Und leider häufig. Denn wenn Paare ihre Verbindung zueinander verlieren, schleichen sich Gefühle der Einsamkeit nur zu rasch ein.
Und wer sich über lange Zeit einsam fühlt, kann schon leicht in Verzweiflung geraten. Ganz besonders dann, wenn sich diese Gefühle zu frühen Erfahrungen des Alleingelassenseins als Kind gesellen.
Wie schön ist es da, mit einer heimlichen Liebe wieder tiefe Verbundenheit zu spüren! Für manche kann sich das tatsächlich wie eine Lebensrettung anfühlen.
Affärenturbo #2: Hallo Leben! Die Rolle der Lebendigkeit
Anscheinend schaffen sich viele von uns Lebensumstände, die dann irgendwann nach Gefängnis riechen. Nach einer Art von lebendig begraben.
So, als wäre nichts mehr übrig von uns. Früher oder später landen wir im Hamsterrad des Lebens. Und ein Berg von Pflichten grüßt täglich neu.
Immer weniger Küsse. Immer mehr Kind und Karriere. Und dann halt irgendwann die Affäre.
Für ganz viele ist es, als würden sie langsam immer weniger Sauerstoff bekommen. Zunächst wird dieses subtile Unwohlsein einfach ignoriert. Warnsignale werden übergangen: Wutausbrüche, depressive Verstimmungen, ein Gefühl von Taubheit und chronischer Langeweile.
Bis sie wie kurz vor dem Ersticken hochschrecken – und durch das Fremdgehen wieder Luft bekommen.

Fallbeispiel aus der Praxis: Sabines Affäre
Meine Klientin Sabine*, 42, hatte ein halbes Jahr lang eine Affäre mit einem Arbeitskollegen. In der Psychotherapie ist sie dabei, herauszufinden, was sie in diese fremden Arme getrieben hat. Was sie gesucht hat und was in ihrem Leben fehlt. Denn sie liebt ihren Mann. Fehlende Liebe war nicht der Grund für ihr Fremdgehen.
Unsere Zusammenarbeit hilft Sabine zu erkennen, wo sie ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche bisher vernachlässigt hat. Und unterstützt dabei, neue Weichen in ihrem Familienleben zu stellen. Denn die braucht es unbedingt.
Sabine erging es wie vielen Frauen: Eingespannt zwischen ihre Rollen als Mutter, Berufstätige und Ehefrau war kaum noch Luft dafür, sich weiblich zu fühlen. Sie verlor den Kontakt zu sich selbst – und fand gegenüber ihrem Mann keine Worte für dieses Gefühl. Da kam die Affäre wie eine Erlösung daher.
„Endlich habe ich mich wieder als Frau gefühlt. Schön, attraktiv, total weiblich. Ich weiß gar nicht, ob ich mich jemals zuvor so gefühlt habe. Und irgendwie hat alles um mich herum in diesem Sommer wieder mehr Farbe bekommen. Dieses besondere Pink der Oleander im Italien-Urlaub war mir zuvor nie aufgefallen. Und ich selbst hatte wohl auch etwas Strahlendes an mir. Das haben sogar meine Teenager-Kinder gemerkt, die sonst nur auf ihre Smartphones starren.“
Sabine muss Wege finden, ihre Lebendigkeit auf andere Weise in ihr Leben integriert. Sie hat auch schon erste Ideen: Sport war immer ein Lebenselixier, das sie nach der Geburt der Kinder stark vernachlässigte. Einerseits wegen der Kinder selbst. Andererseits, weil das noch mehr von der ohnehin schon geringen Zeit zu Zweit genommen hätte.
Sie beginnt, wieder zwei Einheiten Sport in ihre Woche zu integrieren – trotz Zeitmangel. Ein erster Schritt, dem eine Reihe von ehrlichen Gesprächen mit ihrem Mann folgt.
Affärenturbo #3: Affären als Selbstwert-Kick
Nichts poliert ein ramponiertes Selbstwertgefühl so rasch und verlässlich auf wie eine neue Liebe. Und erst recht, wenn diese heimlich ist.
Wir fühlen uns gut, schön und begehrenswert. Wir werden gesehen und sind gewollt.
Dieser Wow-Effekt ist so stark, dass er allein genügt, um einen Großteil von Affären zu erklären.
Besonders heftig kann der Selbstwert-Kick für Menschen ausfallen, die auf eine schwierige Kindheit blicken. Bei frühem Trauma gab es meist viel zu wenig von dem, was Kinder brauchen: dem Gefühl, gesehen, erwünscht und geliebt zu werden.
In solchen Fällen schießen die Hoch-Gefühle beim Fremdgehen besonders stark ein – wie Regen, der auf ausgedörrten Wüstenboden fällt.
Aber gerade wenn die Abhängigkeit von einer Selbstwertzufuhr von außen groß ist, sollte man besonders aufpassen.
Denn keine Affäre bleibt auf Dauer so rauschhaft, wie sie begonnen hat.
Wer sein Selbstwertgefühl dauerhaft steigern möchte, braucht andere, nachhaltigere Strategien.

Affärenturbo #4: Affären als Schmerzkiller
Allzu oft sollen Affären über die Zumutungen des Lebens hinwegzutrösten. Und tun es ja auch – kurzfristig zumindest.
Gründe dafür gibt es in jedem Leben zur Genüge: Die Beförderung, die versprochen, aber nicht eingehalten wurde. Der jüngere Kollege, der als Konkurrent immer näher rückt.
Der Jobverlust des Partners. Die gesundheitlichen Probleme des Kindes. Die Absage der Konferenz. Die Ablehnung des eingereichten Papers. Die Degradierung vom C-Manager in die zweite Reihe. Die Ehefrau, die keinen Sex will. Der Partner, der sich nur mehr für seinen Computer interessiert. You name it.
Je großartiger das Leben geplant war, umso mehr setzen uns unvermeidliche Rückschläge zu. Da wird die heimliche Liebe zum Trostpflaster, zur wohlverdienten Rettungsinsel, zum Schmerzmittel mit Instant-Wirkung.
Verständlich, aber keine hilfreiche Strategie für die Langstrecke.
Rückschläge, Kränkungen und Zumutungen wollen verarbeitet werden – nicht nur zugedeckt. Dann lässt sich auch das Leben wieder neu ausrichten: auf realistischere Weise, mit neuen Zielen. Vielleicht bescheidener, aber auch passender.
Affärenturbo #5: Anregende Heimlichkeit
Erinnern wir uns: schon als Kinder liebten wir kleinere und größere Heimlichkeiten.
Wie aufregend, den Eltern erstmals etwas zu verbergen! Oder etwas vorzumachen! Die erste Lüge: was für eine Errungenschaft – sich etwas auszudenken, das gar nicht stimmt. Und damit zu spielen.
Erwachsene empfinden oft nicht viel anders: Die Heimlichkeit ist für viele Fremdgehende ein absolutes Aphrodisiakum. Zumindest am Anfang.
Etwas nur für uns haben. Es mit niemandem teilen müssen. Und keiner darf davon wissen!
Unsere Insel. Unser ganz besonderer, geheimer Raum. Psst, leise!
Allerdings kippen diese Gefühle im weiteren Verlauf oft in eine Belastung über. Denn Heimlichkeit will gewahrt werden, und das geht in aller Regel nicht ohne Lügen. Die Unwahrheit sagen, erfinden und immer wieder aufs Neue postulieren ist anstrengend. Und fühlt sich für die meisten nicht gut an.
Das ständige Verstecken, Tricksen und Lügen ist daher oft ein Wendepunkt, der den Preis der Affäre in die Höhe treibt.

Affärenturbo #6: Affären als Akt der Rebellion
Für manche Menschen ist eine Affäre ein Akt der Rebellion, der ihnen ein Gefühl der Unabhängigkeit gibt. Denn die Grundbeziehung wird meist als eng und vereinnahmend erlebt.
Rebellion als Motivation ist vor allem bei Individuen anzutreffen, die als Kinder wenig Raum zur Entfaltung der eigenen Identität hatten. Die Entwicklung hin zu einem Menschen, der ein unabhängiges Leben führen soll, wurde kaum unterstützt.
Abhängigkeit wurde gefördert und die Entwicklung eines Bewusstseins für die eigenen Wünsche im Kind erstickt. Die einzige Möglichkeit, dieser Enge zu entkommen, waren Rückzug, Heimlichkeit und Tricks.
So ist es kein Wunder, dass intime Beziehungen auch später als einengend erlebt werden. Bindung wird als bedrohlicher Raum wahrgenommen, der das Selbst ausradiert oder die Unabhängigkeit gefährdet.
Und auch im Erwachsenenleben wird dann oft die Heimlichkeit als Weg nach draußen gewählt.
Affären sind wie geschaffen für diesen scheinbaren Lösungsweg.
Affärenturbo #7: Verschmelzungs-Sex
Guter Affären-Sex ist keine Kunst. Das Neue, Unerwartete, Unbekannte erledigt das von selbst.
Manchmal ist Affären-Sex nicht einmal wirklich befriedigend: zwei einander unbekannte Körper finden nicht immer gleich den Weg in die Erfüllung. Dafür ist alles aber umso aufregender.
Manche Paare, vor allem die Verliebten, erleben ein intensives Verschmelzen miteinander. Wunderschön. Wie von einer anderen Welt.
Allerdings ist auch das ein Effekt der Konstellation: Verschmelzung ist so viel einfacher, wenn wir vom Sexualpartner nicht abhängig sind. Und genau das ist eben dann der Fall, wenn die Beziehung lose ist und kaum Verbindlichkeit herrscht. Wie eben beim Fremdgehen.
Es ist wichtig zu wissen: Schöner Verschmelzungs-Sex ist kein Maßstab, der die Qualität von späterem Sex vorhersagen kann. Sex verändert sich mit der Dauer der Partnerschaft. Und das ist völlig normal.
* In meiner Arbeit achte ich stets darauf, die Privatsphäre meiner KlientInnen zu schützen – dazu bin ich auch gesetzlich verpflichtet. Namen und Details in allen Fallgeschichten werden deshalb stets so verändert, dass Erfahrungen geteilt werden können, ohne die Anonymität zu gefährden.
Inhaltliche Quellen:
(1) Gottman, John, Gottman, Julie (2024). The New Marriage Clinig. A Scientifically Based Marital Therapy. Updated. New York: Norton.
Fotocredits:
Beitragsbild – Bildporträt Sonja Rieder: Martin Jordan
Artikelbild 1: Curated Lifestyle for unsplash
Artikelbild 2 und 3: Klara Kulikova for unsplash
Artikelbild 4: Alexandre Dinaut for unsplash










