14.07.25

Verfasst von: Sonja Rieder

Lesezeit: ca. 21 min

Fremdgehen als ultimativer Verrat? 12 andere Formen von Betrug in Paarbeziehungen

14.07.25

Verfasst von: Sonja Rieder

Lesezeit: ca. 21 min

Ein Seitensprung gilt in unserer Kultur als absolutes No-Go.

Fremdgehen ist ein großes Tabu, obwohl ein Großteil aller Langzeitpaare irgendwann im Laufe ihrer Beziehung mit dem Treue-Thema Probleme kriegt.

Affären gelten als der Inbegriff von Verrat. Dabei gibt es in Paarbeziehungen viele andere Arten, die Partnerperson zu hintergehen.

In diesem Artikel beschreibe ich 12 andere Betrugsvarianten, die die meisten Menschen nicht als solche erkennen. Sie sind der Forschung des renommierten des renommierten Paarpsychologen John Gottman entnommen. (1)

Es ist wichtig, dass Paare besser darüber Bescheid wissen – um diese Vertrauensbrüche auch als solche zu identifizieren. Dadurch können sie besser besprochen und entschärft werden.

Sexuelle Untreue ist nicht die einzige Form von Betrug, die eine Beziehung zerstören kann!

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Betrogen zu werden – das Schlimmste, was einem passieren kann?

Mittlerweile zweifle ich daran, dass sexueller Betrug die größte Katastrophe ist, die einem in der Liebe widerfahren kann. Denn ich sehe so viele andere Formen von Verrat in Beziehungen.

Dabei will ich den Schaden, den Affären anrichten, keineswegs klein reden.

In jedem Fall ist mit tiefen Verletzungen zu rechnen, die man anderen zufügt. Sehr viele Beziehungen erholen sich nie mehr von einem solchen Einschnitt.

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Dennoch möchte ich dazu einladen, anderen Formen von Vertrauensbruch in Beziehungen genauer zu betrachten.

Und sie genauso kritisch zu untersuchen wie sexuelle Untreue.

Jenseits von sexuellen Affären: 12 andere Formen von Verrat in Beziehungen

Es gibt populäre Liebe-Mythen, die wenig hilfreich sind. Einer davon ist, dass Fremdgehen das Ende der Grundbeziehung bedeuten muss. In jedem Fall, egal wie die Umstände gelagert sind. Denn sowas darf man sich doch nicht gefallen lassen, oder?

Dabei gibt es eine ganze Reihe von anderen Formen des Verrats, die einer Beziehung ebenso stark schaden. Sie werden nur meist nicht als Betrug erkannt, untergraben aber das Miteinander wie langsam wirkendes Gift.

Und dann heißt es irgendwann: wir haben uns halt auseinandergelebt! Nein, oft stecken Geschehnisse mit verräterischer Energie dahinter.

Meine Empfehlung lautet daher: Wenn Du den Eindruck hast, dass die Verbindung zwischen Dir und Deinem Lebensmenschen gekappt ist, gehe folgende Liste durch. Hat einer von Euch oder (was oft vorkommt!) beide eine Art von Verrat verursacht? Geht dem nach.

In der Antwort darauf können Lösungsansätze für Eure Beziehungsschwierigkeiten liegen!

1 Körperliche Gewalt als schwerste Form von Verrat und Betrug

Physische Gewalt ist weiter verbreitet, als viele glauben.

Sie ist auch kein Phänomen bestimmter gesellschaftlicher Schichten. Ich kann aus meiner psychotherapeutischen Praxis berichten, dass körperliche Gewalt auch in Akademiker-Haushalten und Milieus vorkommt, die sich für modern, abgeklärt und „zeitgeistig“ halten.

Dass körperliche Gewalt ein schweres Beziehungsvergehen darstellt, ist den allermeisten Menschen klar. Was alles darunter fällt, schon weniger.

Unter körperlicher Gewalt fallen nicht nur Schläge, Festhalten, festes Anfassen und dergleichen. Jegliche Art von nichtgewollter Berührung gehört dazu. Punkt.

Das betrifft vor allem auch den sexuellen Raum. Leider: Ungewollter Sex findet statt, täglich, in unendlichen vielen Schlafzimmern dieser Welt.

Noch einmal: Jegliche Art von nichtgewollter Berührung ist Gewalt! Auch ein kurzes spielerisches Festhalten, das sich dann aber doch unangenehm anfühlt. Ein Streicheln, das so nicht passt. Ein „Du willst doch“, wenn das Interesse des Gegenübers spürbar fraglich ist.

Grenzverletzungen sind oft subtil. Ich erlebe oft in der Psychotherapie, wie entscheidend es für viele Menschen ist, ihre eigenen Grenzen immer mehr zu erkennen – emotional und körperlich.

Und dann zu verteidigen, in einem nächsten Schritt.

Wenn Du von körperlicher Gewalt betroffen bist: Bitte hole Dir Hilfe. So rasch wie möglich.

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2 Emotionale Gewalt und emotionaler Missbrauch: Körperlicher Gewalt ebenbürtige Form von schwerem Verrat in der Beziehung

Auch in den liebevollsten Beziehungen passieren Verletzungen. Emotionale Gewalt geht jedoch über ein „normales“ Maß hinaus. Sie geschieht er über einen langen Zeitraum hinweg und hat System. Denn es geht darum, das Selbstwertgefühl der Partnerperson gezielt zu schwächen, um in der Beziehung mehr Einfluss zu bekommen. Solche Beziehungen sind schädlich. Sie wirken „toxisch“ in dem Sinne, dass sie zu toxischem Stress führen. Lange Zeit dieser Art von Stress ausgesetzt zu sein, macht krank und kann zu einer Vielzahl von psychischen und körperlichen Symptomen führen.

Folgende Liste zeigt nur beispielhaft, was möglich ist. Und ließe sich noch lange fortsetzen.

Solche Verhaltensweisen haben übrigens absolut nichts mit sozialem Status, Geld oder Bildung zu tun. Sie kommen vor – auch in Familien, die sich zu den „besten“ zählen.

  • Regelmäßiges Abwerten und Kleinmachen, unter vier Augen oder vor anderen.

  • Systematisches Verunsichern, um selbst mehr Macht in der Beziehung zu bekommen. Eine besonders perfide Form ist das sogenannte Gaslighting, bei dem die Wahrnehmung des anderen systematisch infrage gestellt wird (Schlüsselsatz:“Das bildest Du Dir ein“)

  • Züchten von Schuldgefühlen (Schlüsselsatz:„Du bist Schuld“) – eine besonders wirkmächtige Strategie, um die Partnerperson gefügig zu machen

  • Im Stich lassen: die Partnerperson allein lassen, wann sie einen am meisten braucht – bei unerwarteten Lebensereignissen, im Fall von Krankheit, mit kleinen Kindern usw.

  • Manipulieren, Drohen und Erpressen, Bloßstellen, Kritisieren – alles mit System

  • Ignorieren und Anschweigen (englisch: „Silent Treatment„)

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3 Nichtsexuelle Affären

Enge Beziehungen am Arbeitsplatz sind häufig und menschlich. Daraus entwickeln sich allerdings oft intensive emotionale Affären, die irgendwann später in sexuelle Abenteuer übergehen können.

Aber auch ohne sexuelle Komponente ist diese Art von intensiver emotionaler Bindung eine Form vom Verrat an der Partnerperson.

Da werden persönlichste Informationen ausgetauscht über gemeinsamen Mittagessen oder Abendveranstaltungen. Auf dem Weg zum Kundentermin werden die Untiefen des privaten Alltags ausgeleuchtet und dabei über die Beziehung „daheim“ geplaudert. Vielleicht sogar geklagt oder gelästert.

Das verbindet enorm und lässt Nähe entstehen. Nähe, die immer größer wird und jene zum Lieblingsmenschen daheim bald gering erscheinen lässt. Dabei haben Arbeitskolleg*innen durch viele Stunden gemeinsamen Arbeitsalltag oft bessere Karten als langjährige Partnerpersonen.

Nicht einmal für Betroffenen selbst ist es oft klar erkennbar, dass Sie sich schon ziemlich weit aus dem Fenster lehnen. Nur zu gerne macht man sich hier etwas vor. (2)

Oft hört man dann Sätze wie diese:

„Wir sind doch nur Kollegen“. Über eine Freundschaft geht das bei uns nicht hinaus„.

Mag sein, dass man die Verbindung noch als freundschaftlich sehen kann. Aber der Kipp-Moment steht vielleicht schon kurz bevor.

Nichtsexuelle Affären können so gut wie überall entstehen – beim Sport, im Kunstverein, mit alten Bekanntschaften und neuen Menschen.

Wenn Du wachsende, intime Nähe zu einem Menschen empfindest und Dich fragst, ob das noch in Ordnung ist: Spüre in Dir nach, ob Deiner Partnerperson diese Art von Beziehung recht wäre, wenn sie davon wüsste.

Oder auch: Wäre es Dir recht, wenn Dein Lieblingsmensch eine so enge Art von Beziehung neben Dir pflegen würde?

Wenn das nicht so ist, gehst Du vermutlich schon zu weit.

Kollegen_Affäre_Arbeit_Sonja_Rieder

4 Mangelndes Commitment

„Ich bleibe bei dir – bis jemand Besseres kommt“ – so lautet das Credo von Menschen, die sich zu ihrer Paarbeziehung nur oberflächlich bekennen.

Es wird links und rechts geflirtet, was das Zeug hält. Hier ein fiktives Beispiel, das sich auf Erfahrungen aus meiner psychotherapeutischen Praxis gründet:

Rita und Max wohnen seit 2 Jahren zusammen. Rita folgte dem Vorschlag ihres Freundes für eine gemeinsame Wohnung, obwohl sie ihm nie vertraut hat. Das heimliche Lesen seiner Online-Korrespondenz ist ihr zum täglichen Ritual geworden. Die Ergebnisse überraschen sie auch nicht: Max schreibt anderen Frauen ständig zweideutige Texte und flirtet online. Daraufhin angesprochen meint Max, dass das nur Spielereien seien, die er eben brauche. Er wolle mit ihr, Rita, unbedingt zusammenbleiben.

Dass Rita nicht schon längst Reißaus genommen hat, liegt an ihrer eigenen Ambivalenz und geringem Selbstwertgefühl. Eine stabile Bindung kann sich auf dieser Ebene nicht entwickeln

5 Mit anderen gegen die Partnerperson koalieren

Bündnisse mit anderen gegen die Partnerperson führen unweigerlich zu Schwierigkeiten in der Paarbeziehung.

Dabei handelt es sich um ein sehr häufiges Problem, so meine Erfahrung als Psychotherapeutin. Das liegt daran, dass unglaublich viele Menschen von ihren Eltern ungenügend abgelöst sind, wenn sie sich partnerschaftlich binden.

Auch Geschwister, Cliquen oder enge Freunde können zu Bündnispartnern werden. Partnerpersonen spüren das meist deutlich – und fühlen sich verraten. Zu Recht!

Wer intime Fragestellungen und Sorgen generell lieber mit der eigenen Mutter oder Schwester bespricht und die Meinung von anderen dann als Leitlinie in die Beziehung einbringt, darf mit erbittertem Widerstand der Partnerperson rechnen.

Dies gilt ganz besonders, wenn der Mann mit seiner Mutter gegen die Partnerin, den Partner koaliert. Wenn hier kein ausreichendes Bewusstsein entsteht, was gespielt wird, kommt die Paarbeziehung unweigerlich in die Abwärtsspirale.

Wieder ein fiktives Fallbeispiel aus meiner Praxis mit einem Muster, das ich in meiner Arbeit schon so oft gesehen habe:

Julians Vater starb, als Julian 18 Jahre alt war. Die Beziehung zur Mutter war schon immer eng und wird daraufhin noch enger. Julian bleibt bis in seine Dreißiger solo und hat daraufhin eine Phase von mehreren kurzen Beziehungen. Schließlich entwickelt sich mit Ingrid eine tiefere Ebene, die in eine feste Partnerschaft mündet.

Die Beziehung wird jedoch immer wieder von heftigem Streit destabilisiert, Tendenz steigend. Julian versteht nicht, warum es Ingrid stört, dass er finanzielle Angelegenheiten am liebsten mit seiner Mutter bespricht. Schließlich verwaltet diese den Familienbesitz und verfügt über weitreichende Erfahrung. Sie wolle doch nur das Beste für das Paar!

Als Ingrid herausfindet, dass Julians Mutter ihm zu Beginn ihrer Beziehung nahegelegt hatte, ihr vorerst nichts von seiner Zweitwohnung zu erzählen, rastet sie aus und meidet von da an Treffen mit der Schwiegermutter in spe.

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6 Heimlichkeit in grundlegenden Fragen

Ich bin nicht grundsätzlich der Meinung, dass es in einer Beziehung keine Geheimnisse geben darf. Nicht jeder eigene Raum in einer Beziehung muss geteilt werden.

Es kommt aber darauf an, worauf sich ein Geheimnis bezieht. Und wie sehr sie in das Fundament einer Beziehung eingreifen.

Ein fiktives Fallbeispiel zur Illustration, angeregt durch persönliche Erfahrungen:

Ein Medizinerpaar hat eine gemeinsame Tochter, die mit Neurodermitis kämpft: Juckende Haut, aufgekratzte Stellen und das alles in einem Alter, in dem das „Standing“ bei anderen Heranwachsenden für das Selbstwertgefühl so wichtig ist.

Die Eltern vertreten bei der Behandlung allerdings unterschiedliche Standpunkte: Der Vater möchte, dass der Wirktstoff Cortison nur äußerst sparsam zum Einsatz kommt. Die Mutter möchte ihre Tochter so oft wie möglich beschwerdefrei sehen – und schmiert Cortison-Salbe großzügig hinter dem Rücken ihres Mannes.

Nicht nur, dass sich hier Eltern-Konflikte am Rücken des Kindes entladen: Als die Heimlichkeit herauskommt, ist die Beziehungskrise erst recht da.

7 Im-Stich-Lassen, Abwesenheit und Kälte

Wer seine Partnerperson im Stich lässt, wann diese ihn dringend bräuchte, kann seiner Beziehung dadurch schweren Schaden zufügen. Wer abwesend bleibt, wenn es wirklich wichtig ist, treibt eine Spaltung der Beziehung herbei. Das gilt vor allem für Situationen, in denen die Partnerperson hilflos, geschockt oder in Trauer ist: im Krankheitsfall, bei Unfällen, unerwarteten heftigen Ereignissen oder bei Verlusterfahrungen.

Ein fiktives Beispiel:

Lena und Aron haben einen gemeinsamen 8-Monate alten Sohn. Dieser hat ein wichtiges Check-up im Krankenhaus, wo er wegen wiederkehrender Infekte zuletzt stationär behandelt wurde. Lena leidet unter einer milden Krankenhausphobie: Besuche im Spital setzen ihr nervlich sehr zu. Sie schläft schon vorher schlecht und braucht viel Kraft, um dann vor Ort ihre Angst zu regulieren. Lena und Aron haben vereinbart, dass Aron in der Früh noch ins Büro geht und um 11.30 Uhr ins Krankenhaus nachkommt – rechtzeitig zum Termin.

Lena wartet, Aron ist um 11.30 Uhr immer noch nicht da und auch nicht erreichbar. Der Termin verschiebt sich wegen Vorpatienten. Schließlich gelingt es Lena, Aron zu erreichen. Dieser schiebt vor, wegen der Arbeit nicht rechtzeitig weggekommen zu sein und fragt Lena, ob sie es diesmal nicht doch alleine versuchen könnte.

Lena ist enttäuscht und wütend. Sie fühlt unverstanden und verraten. Man kann es ihr nicht verdenken, oder?

8 Ungerechtigkeit

Wir Menschen tun uns schwer mit Ungerechtigkeit. Sie passt nicht zu unseren Grundüberzeugungen.

Was als gerecht empfunden wird, variiert allerdings. Hier müssen Paare vieles miteinander ausloten. Denn erlaubt ist heutzutage alles, was andere nicht schädigt oder verboten ist.

Meine Erfahrung als Einzel- und Paartherapeutin zeigt aber: Es wird selten als gerecht empfunden, wenn eine Person allein überwiegend für die Hausarbeit oder die Kindererziehung verantwortlich ist. Paare, bei denen eine traditionelle Rollenaufteilung gut funktioniert, haben sich dafür bewusst entschieden.

Wenn hinter so einer Aufgabenverteilung einfach nur die Bequemlichkeit einer Seite steckt, wird das die Beziehung früher oder später aus dem Gleichgewicht bringen. Auch wenn das Ende erst dann kommt, wenn die Kinder schon aus dem Haus sind.

Ungerechtigkeit kann viele Gesichter haben – wenn IHR Wellnessurlaub immer wichtiger ist als SEINE Auszeiten. Wenn für SEINEN Autogeschmack Geld da ist, für IHREN Traum von der Island-Reise aber schon seit Jahren nicht.

Der renommierte Paarforscher John Gottman schreibt darüber sehr schön:

„Eine liebevolle Langzeitbeziehung sollte eigentlich ein Rückzugsort sein, an dem man von Ungerechtigkeiten verschont bleibt. Das ist keine naive Wunschvorstellung, sondern ein Grundpfeiler der Liebe. Partner können einander nicht zufriedenstellen, wenn einer den anderen übervorteilt.

(John Gottman, Nan Silver: Die Vermessung der Liebe. Vertrauen und Betrug in Paarbeziehungen. Verlag Klett-Cotta, 2014, S. 119. Hervorhebung Sonja Rieder)

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9 Selbstsucht

Beziehung bedeutet, sich aufeinander zu beziehen. Selbstsucht ist das Gegenteil davon.

Abstriche und Kompromisse gehören zu jeder Beziehung dazu. Wer das nicht will, sollte sich lieber erst gar nicht binden. Und schon gar nicht Kinder bekommen, denn diese vervielfältigen Situationen, in denen Zurückstecken einfach notwendig ist.

Fallbeispiel: Lorenz arbeitet die ganze Woche über hart und findet, ein Recht auf einen Sonntag ganz zum Ausruhen zu haben. Seine Frau Selina habe keine Ahnung davon, was sich bei ihm im Konzern täglich abspiele, der tägliche Stellungskrieg an allen Fronten, und überhaupt. Sie könne Teilzeit arbeiten und die Nachmittage mit den beiden Töchtern genießen, während er das Geld heimbrächte. Er vergisst dabei, dass seine Töchter erst 4 und 7 Jahre alt sind und laufende Betreuung brauchen, die Kraft fordert. Familienarbeit ist nicht nur Erholung!

Entsprechend sehen Lorenz` Sonntage folgendermaßen aus: Ausschlafen bis in den späten Vormittag hinein, dann ein ausgedehntes Frühstück (alleine, während Selina mit den Kindern Programm macht), dann zwei Stunden Fitnessstudio. Ab dem späten Nachmittag stimmt er sich schon wieder auf die Herausforderungen der kommenden Woche ein – da ein Email, für das am Freitag keine Zeit mehr war, dort noch schnell was nachschauen.

Selina hat nur dann eine Möglichkeit zur Auszeit ohne Kinder, wenn ihre Mutter aus Oberösterreich kommt. Diese Verschnaufpause ergibt sich aber nur alle paar Wochen. Es wundert wenig, dass dieses Paar in große Schwierigkeiten gerät.

10 Uneingelöste Versprechen

Was man versprochen hat, das soll man auch halten. Das weiß jedes Kind. Aber manche Erwachsene dann doch nicht.

Versprechen lassen schöne Bilder für die Zukunft entstehen. Sie eröffnen Perspektiven. Menschen freuen sich auf die Einlösung von Versprechen, die sie gehört haben. Und sind enttäuscht, wenn das nicht stattfindet. So einfach ist das.

An das eine kleine Versprechen, das vergessen wurde, kann man ja erinnern. Mehrere uneingelöste Versprechen bewirken schon, dass man sie nicht mehr ernst nimmt.

Ein wichtiges Versprechen, eine grundsätzliche Zusage, die nicht eingehalten wird, bewirkt einen tiefen Vertrauensverlust und untergräbt die Beziehung.

Suchterkrankungen wie eine Alkoholsucht, Spielsucht, Porno-Sucht und dergleichen sind in diesem Zusammenhang besonders problematisch. Denn hier wird ja von der suchtkranken Person meist versprochen, dass sie mit ihrem Verhalten aufhört. Ohne professionelle Hilfe funktioniert das aber meistens nicht. Zumindest nicht auf Dauer.

Damit aber wird es für die Partnerperson praktisch unmöglich, zu vertrauen. Deshalb sind Beziehungen, in denen Suchtkranke Behandlung ablehnen, besonders gefährdet.

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11 Respektlosigkeit

Respekt ist ein fundamentaler Baustein von Beziehungen. Er zeigt sich in liebevollem Verhalten, im Ehren der Wünsche, Befindlichkeit und Grenzen des anderen. Wo Respekt fehlt, steht die Beziehung auf wackeligen Füßen.

Respektlosigkeit kann man zum Beispiel an folgenden Mustern erkennen:

Korrigieren des anderen beim Sprechen, ihm ins Wort fallen, die Augen verdrehen, wenn die Partnerperson spricht, Anschreien, Beschimpfen, herablassende Behandlung und dergleichen.

Holt Euch unbedingt professionelle Hilfe, wenn Ihr in derartigen Mustern verfangen seid. Sie sind zutiefst schädlich – für jeden einzelnen von Euch und Eure Beziehung.

12 Entzug von sexuellem Interesse ohne Erklärung

Sexueller Rückzug wird vom Gegenüber praktisch immer als verletzend empfunden, wenn er nicht erklärt, nicht liebevoll in die Beziehung eingebettet wird.

Wer sich aus dem Land der gemeinsamen Sexualität verabschiedet, sollte bereit sein, darüber zu sprechen.

Es ist beileibe nicht immer die Frau, die sich sexuell zurückzieht. Auch Männer können ihr Interesse verlieren. Dahinter können unterschiedliche Gründe stehen. Mit steigendem Alter sind es oft körperliche Einschränkungen, verbunden mit überholten Vorstellungen von Sexualität. Zum Beispiel, dass Sex mit Penetration gleichzusetzen ist.

Solche Probleme kann man besprechen – und oft auch lösen. Sexualtherapeut*innen sind darauf spezialisiert.

Für manche Paare ist es in Ordnung, keinen gemeinsamen Sex mehr zu haben. Dann wird Zärtlichkeit oft umso wichtiger. Wenn aber der sexuelle Rückzug unsensibel erfolgt, ist der Weg dahin meist auch verstellt. Wie schade!

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Verrat, der schwerer erkennbar ist – und dennoch schadet

Sexuelle Untreue ist klar umrissen: Fremd-Küssen empfinden schon die meisten als groben Verrat. Ein Mehr an körperlicher Nähe erste recht.

Andere Formen des Verrats sind weniger eindeutig. Eine Affäre wird zugegeben oder aufgedeckt. Dann liegen die Karten am Tisch. Voilà.

Viele Illoyalitäten sind in ein sonst positives Gesamtbild eingebettet. Das erschwert die Klarsicht. Dazu kommt ein anderer springender Punkt:

Wer betrogen wurde, dem ist das Mitgefühl des sozialen Umfelds sicher. Freunde und Familie stehen den Betroffenen meist wacker bei und wettern gegen den Übeltäter, das „Charakterschwein“ oder „die Schlampe“.

Oft fordern sie auch ganz direkt zur Trennung auf. Denn es scheint mittlerweile zum Ehrenkodex zu gehören, dass man einen Seitensprung nicht vergessen oder verzeihen darf.

Andere, subtilere Formen von Betrug sind für das Umfeld oft unsichtbar.

Nicht jede Beziehung ist zu retten. Denn manchmal ist der Preis dafür einfach zu hoch.

Ich bin keine Therapeutin, die leichtfertig auf Trennungen hinarbeitet. Dann hätte ich meinen Beruf eindeutig verfehlt.

Wo es noch Hoffnung gibt für ein Paar, zahlt sich das Engagement für eine Wiederannäherung allemal aus. Denn langgewachsene Verbindungen haben einen besonderen Wert.

Aber: Es gibt auch Beziehungen, die nicht zu retten sind. Das ist eine unbeliebte Wahrheit, die auch manche Paar-Coaches nicht gerne preisgeben.

Wo regelmäßiger Verrat an der Tagesordnung steht – und dieser muss nicht in sexueller Untreue bestehen! – sollte man sich fragen, ob die Beziehung diesen Preis rechtfertigt.

Quellen:

(1) John Gottman, Nan Silver: Die Vermessung der Liebe. Vertrauen und Betrug in Paarbeziehungen. Verlag Klett-Cootta, 2014.

(2) Shirley P. Glass: Die Psychologie der Untreue. Verlag Klett-Cotta, 2015.

Über mich: Psychotherapeutin Mag. Sonja Rieder, MSc

Ich bin Sonja Rieder, erfahrene Psychotherapeutin, Paartherapeutin und Coach - seit 2008 mit eigener Praxis zentral in Wien.

Seit vielen Jahren begleite ich Frauen und Männer bei privaten und beruflichen Themen - empathisch, lösungsorientiert und ohne zu urteilen.

Ein traumasensibler Blickwinkel ist mir dabei ganz wichtig - auch in meiner Arbeit mit Paaren.

Gerne begleite ich Sie in meiner Wiener Praxis oder online bei Ihren Fragestellungen. Mehr Infos zu mir gibt es hier.

Die Motivation für diesen Blog? Mein Wissen über Beziehungen, Liebesfähigkeit und Verletzung möglichst vielen Menschen zukommen zu lassen.

Weil Liebe das ist, woraus wir gemacht und wofür wir hier sind.

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